BGH – Urteil vom 06. Oktober 2021 (Az.: XI ZR 234/20)

Erfolg für tausende Verbraucher – Zinsnachzahlungen bei Prämiensparverträgen!

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 06. Oktober 2021 (Az.: XI ZR 234/20) im Musterfeststellungsverfahren über die Revision der Verbraucherzentrale Sachsen e.V., Musterfeststellungsklägerin im Musterfeststellungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Dresden gegen die Stadt- und Kreissparkasse Leipzig, über die Wirksamkeit der Zinsänderungsklausel in Prämiensparverträgen entschieden.

Prämiensparverträge gekündigt, wir helfen

Was wurde entschieden?

Die Zinsänderungsklausel in den Verträgen „S-Prämiensparen flexibel“ sah eine variable Verzinsung der Spareinlage vor. Der Zinssatz könne nach den AGBs jederzeit einseitig durch Aushang des Zinssatzes im Kassenraum der Sparkasse geändert werden.

Die Klausel erklärte der BGH wegen eines Verstoßes gegen § 308 Nr. 4 BGB aufgrund der Ausgestaltung der Änderung des Zinssatzes – die Klausel enthält keinerlei Vorgaben und die Änderungen sind für den Verbraucher unkalkulierbar – für unwirksam.

Nach § 308 Nr. 4 BGB ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen insbesondere die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist, unwirksam.

Aufgrund der Unwirksamkeit der Zinsänderungsklausel und des damit einhergehenden lückenhaften Rechtsgeschäfts muss die Verzinsung der Spareinlagen durch ergänzende Vertragsauslegung bestimmt werden. Insoweit stellte der BGH fest, dass bei Prämiensparverträgen ein langfristiger Referenzzinssatz für die Höhe einer variablen Verzinsung der Spareinlagen heranzuziehen ist. Der BGH verwies die Musterklage zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück an das Oberlandesgericht Dresden, welches über einen angemessenen Referenzzinssatz zu entscheiden hat. Der BGH stellte zudem fest, dass die Sparkasse anschließend verpflichtet ist, die Zinsanpassung monatlich vorzunehmen und dabei der anfängliche relative Abstand des Vertrags- zum Referenzzinssatz beizubehalten ist.

Ein weiterer wichtiger Punkt des Urteils ist die Bestätigung der Rechtsauffassung des OLG Dresden, dass Kunden ihren Anspruch auf Zahlung weiterer Zinsen erst mit Beendigung des Prämiensparvertrages durchsetzen können. Daraus folgt, dass der Anspruch auf die Zahlung der Zinsen derselben Verjährungsfrist wie das Kapital unterliegt. Somit tritt die Verjährung des Anspruchs frühestens drei Jahre nach Vertragsbeendigung ein.

Auswirkungen für Sparer:

Auch wenn das oben genannte Urteil nur Kunden der Stadt- und Kreissparkasse Leipzig betrifft, stellt das Urteil des BGH eine entscheidende Weichenstellung für tausende Sparer der Sparkassen und Raiffeisenbanken in ganz Deutschland dar, die langfristige Sparverträge mit variabler Grundverzinsung abgeschlossen haben. Diese haben möglicherweise jahrelang von ihrer Bank durch gleichlautende Vertragsklauseln zu wenig Zinsen erhalten und haben jetzt nach der eindeutigen Klärung der Rechtslage durch den BGH einen Anspruch auf Nachzahlung der Zinsen, nachdem unzählige Banken die Sparverträge mit ihren Kunden bereits gekündigt haben.

Wie hoch der Zinsnachzahlungsanspruch der Sparer ist, kommt auf die individuelle Vertragsgestaltung an. Nach Angaben von Verbraucherzentralen besteht durchschnittlich jedoch ein Nachzahlungsanspruch in Höhe von 3.000 €.

Zudem sollten sich Sparer, und insbesondere solche die einen Sparvertrag mit fester Laufzeit abgeschlossen haben, darüber informieren, ob die Kündigung ihres Sparvertrages überhaupt rechtswirksam war.

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